8. Juni – 26. August 2007 Ausstellung „Gott allein
die Ehre – Der Orgelreichtum im Alten Land“
Unter dem Titel „Gott allein die Ehre – Der Orgelreichtum im Alten Land“ findet
vom 8. Juni – 26. August 2007 im Museum Altes Land in Jork eine Ausstellung
über die zehn Orgeln in dem südwestlich von Hamburg an der Niederelbe gelegenen
Gebiet statt.
Die Ausstellung ist bereits die dritte einer Reihe über die kirchliche Kultur
des Alten Landes.
Sie basiert auf den Forschungsergebnissen von Prof. Dr. Konrad Küster/Freiburg
i.B., der bereits 2001 mit der Herausgabe des „Husumer Orgelbuches von 1758“ auf
Orgelmusik aus dem Alten Land aufmerksam gemacht hatte.
In Zusammenarbeit mit der Orgelakademie in Stade hat Küster in den letzten
Jahren die kirchliche Musikkultur im Bereich der ehemaligen Herzogtümer Bremen-
Verden in der Zeit seit der Reformation bis 1866 untersucht. Zusammen mit den
ersten Funden innerhalb des Husumer Orgelbuches ergibt sich ein völlig neues
Bild der Orgelkultur im Alten Land.
Rechnungsbücher als Quellen
Als eine der wichtigsten Quellen nennt der Musikwissenschaftler die alten
Rechnungsbücher der Altländer Kirchengemeinden.
Auch wenn sie oft nur lückenhaft erhalten geblieben sind, zeigen u.a. darin
enthaltene Vermerke über die Kosten für „Kalkanten“ (Bälgetreter), dass es
in mindestens sechs Kirchengemeinden bereits vor 1600 Orgeln gegeben hat.
Der derzeit älteste bekannte Nachweis stammt aus Jork: Er ergibt sich aus der
Abrechnung für Wartungsarbeiten:
„Anno Sustech [1560] vsq: ad Anno lxij [1562]…Noch tho den orgelen dho mals
worden gesmert xiiij pût [Pfund] smeres dat pût v alb. es xxiij ß wegens … Item
xv ß vor rullen vn lyne[n] tho den orgelen yn kost vn ber perekent [berechnet]“.
In Mittelnkirchen werden 1565 als Ausgabe „Item 10 s [Schilling] vor belgenn
tho treden“ verbucht.
Anders verhält es sich mit dem Nachweis von Organisten zu der Zeit, die
gleichzeitig oft das Amt des Küsters innehatten und vielerorts kein Fixum aus
der kirchlichen Kasse bezogen. Sie lebten meist von den Erträgen der „Organistenumlage“,
einer Art jährlicher Kopf-oder Hofsteuer, die direkt an sie entrichtet wurde und
deshalb in den Kirchenrechnungen nicht auftaucht.
In den Rechnungsbüchern vermerkte Belege über Reparaturen oder den Umbau von
Orgeln zeugen ebenfalls von der Existenz der Instrumente vor 1600. So werden
1584 in Borstel folgende Zahlungen angegeben: „Dat orgelwerck rhenoueren [,]
belgen nigh [neu] tobelegende, vnd sunst wath daranne tobrak [zerbrochen; an] M[eister]
Matzen 63 mk [Mark] und den Knechten 3 mk to behrgelde [Biergeld] gegeuen ... M
Matz sine Instrumenta van Buxtehude gehalet vii ß [Schillinge] geuen“. Bei „M
Matz“ handelt es sich um den zwischen Uelzen und Apenrade wirkenden
Orgelbauer Matthes/Matthias Mahn aus Buxtehude, den Konrad Küster damit erstmals
für das Alte Land nachweisen konnte. Ebenso den Orgelbauer Hans Bockelmann d.J.,
ein Nachfahre der bekannten Lüneburger Orgelbauerfamilie, der 1616/17 ebenfalls
an der Borsteler Orgel arbeitete.
Arp
Schnitger und das Alte Land
Im Zentrum der Ausstellung steht der weltberühmte Orgelbauer Arp Schnitger, der
in der Zeit zwischen 1677 und 1719 nachweislich an acht der zehn Altländer
Orgeln gearbeitet und die zu seiner Zeit bereits traditionsreiche Orgelregion
grundsätzlich und auf charakteristische Weise verändert hat. Grundsätzlich
deshalb, so Küster, weil Schnitger jedem der zu seiner Zeit ‚aktiven’
Orgel-Standorte im Alten Land seinen Stempel aufgedrückt hat. Für Twielenfleth
sei das allerdings ein Stück weit fraglich, schränkt Küster ein. Die „charakteristische
Weise“ bezieht sich darauf, dass Schnitger Altbestände nicht beseitigte, sondern
überformte – indem er Älteres in seinen Instrumentenkonzeptionen fortleben ließ,
sofern er dies für sinnvoll hielt. Wohl kaum aus Pietät oder Ehrfurcht gegenüber
seinen Vorgängern, wie Küster betont.
Bemerkenswert hierbei ist, dass sich als eine Art Zufall der Geschichte diese
Arbeitsweise Schnitgers in den Vordergrund der Gesamtrezeption seines Werkes
schieben konnte, während seine völlig neu erbauten Orgeln in den Hintergrund
treten.
Die Ausstellung zeigt das am Beispiel von Steinkirchen, einer Art ‚Ikone’ unter
den Schnitger-Orgeln, und Neuenfelde, der einzigen ‚reinen’ Schnitger-Orgel im
Alten Land.
Beide Orgeln stehen auch im Mittelpunkt eines weiteren Schwerpunktes der
Ausstellung: der Einbindung in die Bildprogramme und Inschriften an den
Orgelemporen und in die Gestaltung der Kirchenräume und die damit verbundene
theologischen Begründung für den Orgelreichtum im Alten Land.
Organisten
und andere Musiker
Der wichtigste Teil der Forschungsarbeit Konrad Küsters war das Auffinden von
Notenmaterial, das zum einen Auskunft geben konnte über die im Alten Land
gespielte Musik, zum anderen über die dort tätigen Organisten und deren
Kompositionen. Einer der ganz wenigen Altländer Musiker, von dem sich Orgelmusik
erhalten hat, ist Christoph Wolfgang Druckenmüller, 1687 als Organistensohn in
Borstel geboren und fast 25 Jahre lang in Jork als Organist tätig. Seine
Kompositionen sind im Husumer Orgelbuch von 1758 erhalten. Von seinem Vater
Johann Jacob (1657-1715) ist ein Geistliches
Konzert, von dessen Nachfolger in Borstel, Moritz Schlöpke, sind zwei Vokalwerke
überliefert. Weitere Kompositionen lassen sich nicht nachweisen, aber Organisten
aus dem Alten Land gelangten oft auf respektable Musikerstellen, wie
beispielsweise Hinrich Pape.
Ein kulturhistorisch herausragender Aspekt ist jedoch, dass sich in Borstel seit
1684 die Adjuvantenkultur nachweisen lässt, nämlich die Mitwirkung von Musikern
aus der örtlichen Wohnbevölkerung an der anspruchsvollen gottesdienstlichen
Musik, die ursprünglich nur für Mitteldeutschland konstatiert wurde. Andere
kirchliche Ensemblemusik wurde von auswärts importiert und dafür aus der
Kirchenkasse fürstlich entlohnt.
Traditionsbrüche und Denkmalpflege
Die im Laufe des 19. Jahrhunderts einsetzende Radikal-Erneuerung alter
Orgeln machte auch vor dem Alten Land nicht Halt. Ihr Klang, vor allem der
„Schreystimmen“ der Zungenregister, galt als nicht mehr zeitgemäß. In völliger
Verkennung kulturhistorischer Werte reduzierte man die Bedeutung einer Orgel auf
ihr Äußeres, ihren Prospekt – und sah ihr ‚Innenleben’, das in der Regel für
irreparabel erklärt wurde, als verzichtbar an.
Diesem ‚Zeitgeist’ fielen die Schnitger-Orgeln in Twielenfleth 1861, in
Estebrügge 1906 und in Jork 1914 zum Opfer. Der Neubau in Twielenfleth durch
Philipp Furtwängler stellt ein bemerkenswertes Instrument seiner Zeit dar und
bildet dennoch einen entscheidenden Einschnitt in der Altländer Orgelgeschichte:
die äußere Homogenität dieser Orgellandschaft wurde damit verändert.
Nach dem 1. Weltkrieg brach eine neue Phase der Orgelkultur im Alten Land an.
Die „Orgelbewegung“ verhinderte weitere Zerstörungen, indem sie sich neue
Kunstideale in Neuenfelde und Steinkirchen schuf und so die kostbaren
Instrumente auch überregional einer breiten Öffentlichkeit bekannt machte. Sie
sorgte letztendlich auch dafür, dass 1936 mit der Ott-Orgel in Neuenkirchen nun
alle zehn Kirchen im Alten Land eine Orgel besaßen.
Einer der Begründer der Orgelbewegung, der Hamburger Dichter und Orgelbauer Hans
Henny Jahnn, setzte sich 1925/26 entscheidend für die Restaurierung der Orgel in
Neuenfelde ein. Sein Verdienst wird in der Ausstellung ebenso gewürdigt wie das
des weitgehend vergessenen Paul Rubardt aus Leipzig, der 1920 über Vincent
Lübeck promovierte und bei den Vorbereitungen seiner Arbeit für das Thema Arp
Schnitger Feuer fing.
Sein Ziel war es, das Wesen Schnitgers anhand einer umfassenden Untersuchung der
Pfeifengestaltung zu bestimmen.
Das Projekt blieb nicht zuletzt deshalb unbearbeitet, weil der
Schnitger-Forscher Gustav Fock darauf beharrte, dass ihm bei seiner auf
Dokumentenarbeit gestützten Dissertation über Schnitger ein Vorrang eingeräumt
werde. Das wird anhand von Aktenfunden im Pfarrarchiv von Steinkirchen
nachgewiesen.
Einen besonderen Platz nehmen in der Ausstellung historische Rundfunk-und
Schallplattenaufnahmen der Altländer Orgeln ein. Die älteste stammte von 1938,
als der deutsche Reichsfunk verschiedene Schnitger-Orgeln präsentierte, darunter
Neuenfelde und Steinkirchen.
Die Aufnahme selbst ist leider nicht erhalten, sondern lediglich schriftlich
dokumentiert.
Unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg machten die BBC und der britische
Alte-Musik-Pionier Geraint Jones die Klänge der Steinkirchener Orgel weltweit
bekannt. Diese und andere Aufnahmen, unter anderem vom NDR, sind während der
Ausstellung zu hören.
Ein umfangreiches Begleitprogramm mit Vorträgen, Orgelvorführungen,
Orgelkonzerten und musikalischen Gottesdiensten ergänzt die Ausstellung, die von
den Kirchengemeinden im Alten Land gemeinsam veranstaltet wird.
Eva-Maria Tegtmeyer, Jork
Fotos: Fritz Christophel, Borstel © St. Matthias Jork
Adresse & Öffnungszeiten:
Museum Altes Land, Westerjork 49, 21635 Jork
Dienstag – Sonntag 11 – 17 Uhr. Montags geschlossen. Der Eintritt ist frei.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.
Führungen können unter Tel. 04162-345 oder –5634 bzw. über Email:
KG.Matthias.Jork@evlka.de
vereinbart werden.
Internet:
www.kirche-altes-land.de
BEIPROGRAMM DER AUSSTELLUNG „GOTT ALLEIN DIE EHRE –
DER ORGELREICHTUM IM ALTEN LAND“:
Donnerstag, 7.6., 19 Uhr Museum Altes Land, Jork
Ausstellungs-Eröffnung durch LS Horch / Stade
Einführung in die Ausstellung: Prof. Dr. Konrad Küster / Freiburg i.B.:
Am Flügel: Susanne Wegener
Freitag, 8.6., 19 Uhr St. Matthias, Jork
Orgelkonzert mit Werken von Dietrich Buxtehude
Martin Böcker / Stade
Donnerstag, 14.6., 20 Uhr St. Pankratius, Neuenfelde
Vortrag Dr. Thomas Lipski / Cloppenburg:
Hans Henny Jahnn. Sein Verhältnis zum Orgelbau des 19. Jahrhunderts und die
Konsequenzen daraus.
Sonntag, 17.6., 10.30 Uhr St. Matthias, Jork
Festgottesdienst 25 Jahre Schnitger/Führer – Orgel
16 Uhr, St. Matthias, Jork
Orgelkonzert Susanne Wegener / Jork/Borstel
Mittwoch, 20.6., 19 Uhr St. Bartholomäus, Mittelnkirchen
Orgelkonzert mit Werken von Dietrich Buxtehude Martin Böcker / Stade
Freitag, 29.6., 19 Uhr „Arp Schnitgers Geburtstag“ St. Nikolai, Borstel
Orgelkonzert mit Werken von Dietrich Buxtehude Martin Böcker / Stade
Sonnabend, 30.6. Orgelvorführungen
15 Uhr, St. Mauritius, Hollern
16.30 Uhr, St. Bartholomäus, Mittelnkirchen
18 Uhr, St. Johannis, Neuenkirchen
Sonntag, 1.7.10.30 Uhr, St. Matthias, Jork
Musikalischer Gottesdienst
Sonntag, 1.7.15.00 Uhr, St. Martini & Nicolai, Steinkirchen
Orgelkonzert mit Werken von Dietrich Buxtehude Martin Böcker / Stade
Sonntag, 1.7.16.30 Uhr, St. Pankratius, Neuenfelde
Konzert mit Liedern von Johann Rist Annegret Kleindopf, Sopran Thiemo
Janssen, Orgel
Donnerstag, 5.7., 20 Uhr St. Martini & Nicolai, Steinkirchen
Vortrag Peter Golon / Stade: Der Orgelbauer Arp Schnitger
Sonntag, 8.7., 16 Uhr Museum Altes Land, Jork
Tänze aus dem Altländer Tanzbuch von 1792 Altländer Trachtengruppe
Donnerstag, 12.7., 19 Uhr St. Matthias, Jork
Vortrag Prof. Dr. Konrad Küster / Freiburg i.B.: Gab es eine Altländer
Orgelkultur?
Sonntag, 15.7.,15 Uhr St. Martini & Nicolai, Steinkirchen
Orgelkonzert Stefan Kordes / Göttingen
Sonntag, 5.8., 16.30 Uhr St. Pankratius, Neuenfelde
Orgelkonzert Volkmar Zehner / Hamburg
Sonntag, 12.8.,15 Uhr St. Martini & Nicolai, Steinkirchen
Orgelkonzert Giuliana Maccaroni / Pesaro
Sonntag, 19.8.,15 Uhr St. Martini & Nicolai, Steinkirchen
Orgelkonzert Jan Weinhold / Timmendorfer Strand
(Änderungen vorbehalten)